Die Herangehensweise an den Tod:
Ein sterbender Mensch wird mit einer auslöschenden Kerze verglichen. Jeder Körperkontakt kann den Tod beschleunigen und deshalb darf man den Sterbenden nicht anfassen, um seinen Tod nicht zu
beschleunigen. Man muss in Ruhe an seiner Seite stehen, um seinen Abschied von der Welt nicht schmerzhafter zu machen. In dieser Zeit soll das „Widuj-Gebet“ gesagt werden und vor dem
Verlassen der Seele soll das Gebet „Schma Israel“ gesprochen werden.
Zum Zeitpunkt des Seelenaustritts besteht der Brauch, eine Kerze neben dem Kopf des Bettes anzuzünden und die Fenster zu öffnen. Wenn jemand im Krankenhaus stirbt soll darauf
geachtet werden, dass kein Kreuz oder Neues Testament neben dem Bett gelegt wird.
Nach dem Tod
Wenn jemand zu Hause verstirbt, soll 20 Minuten nachdem ein Arzt den Tod festgestellt hat, der Verstorbene auf dem Boden gelegt werden. Er soll mit den Beinen Richtung Tür
gelegt werden, die Arme und Beine gerade liegend. Die Augen des Verstorbenen sollen geschlossen werden. Er soll mit Laken bedeckt werden. Eine Kerze soll neben dem Kopf aufgestellt werden.
Während der Verstorbene auf die Erde gelegt wird, soll man ihn um Verzeihung bitten. Der Verstorbene darf nicht allein zu Hause unbeaufsichtigt gelassen werden.
Am Schabbat:
Wenn jemand sich unwohl fühlt, ist es eine Mitzwe, einen Arzt oder Krankenwagen zu rufen. Wenn der Arzt eingetroffen ist, dem Tod festgestellt hat und der Verstorbene nicht ins Krankenhaus
gebracht wurde, soll er bis Schabbatausgang auf dem Boden liegen und erst dann soll ein Bestattungsdienst gerufen werden, um den Verstorbenen aus seinem Haus zu bringen.
Man darf nicht während des Schabbats die Beerdigung organisieren, d.h. man darf nicht die Gemeinde oder den Bestattungsdienst vor Schabbatausgang anrufen. (Wenn Gefahr besteht, dass ein
unangenehmer Geruch entstehen könnte, kann sich ein Nichtjude darum kümmern).
Nach dem Tod müssen alle Spiegel im Haus abgedeckt werden. Wasser, das sich in einem offenen Behälter befindet, muss weggeschüttet werden.
Obduktion:
Der Mensch wurde als Abbild von G’tt erschaffen und deshalb darf der Körper selbst nach dem Tod nicht verstümmelt werden. Man soll den Ärzten ausdrücklich sagen, dass keine Obduktion an dem
Verstorbenen durchgeführt werden darf. Ein Mensch, der auf unnatürliche Weise verstarb und wenn ein Verdacht besteht, dass sein Tod von außen verursacht wurde, darf obduziert werden. Die
Ärzte sollen aber nur das Notwendigste obduzieren.
Verschiebung der Beerdigung
„Denn du bist Erde und sollst zu Erde zurückzukehren“: Man muss den Verstorbenen so schnell wie möglich zu Grabe tragen. Das ist eine der guten Taten, die wir für den Verstorbenen nach dem
Tod tun können. Deshalb soll die Beerdigung schnellstmöglich durchgeführt werden. Sie soll weder wegen Terminen noch wegen Geburtstagen etc. verschoben werden.
Am Schabbat und an Feiertagen darf keine Beerdigung stattfinden. Deshalb soll der Verstorbene kurz vor Schabbat oder dem Feiertag beerdigt werden und man soll nur dann warten, wenn es nicht
anders geht.
Leichenverbrennung:
Wie oben erwähnt wird viel Wert darauf gelegt, dass der Körper eines Menschen gänzlich zu seiner Quelle zurückkehrt und deshalb ist es absolut verboten, die Leiche zu verbrennen.
Der Verstorbene soll zum Grab Israel getragen werden.
Vor der Beerdigung
Die sieben nächsten Verwandten des Verstorbenen (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter, Ehemann oder Ehefrau) müssen nach dessen Tod jede Beschäftigung einstellen und sich um die
Beerdigung kümmern. Deshalb hat die Tora sie von der Ausführung der Mitzwot in diesem Zeitraum befreit (außer von den Verboten), so dass sie Zeit haben, sich um die Beerdigung zu kümmern. In
diesem Zeitraum wird der Trauernde Onen genannt. Wie bereits im Zusammenhang mit Schabbat erwähnt, darf man sich am Schabbat nicht um die Beerdigung kümmern. Dann gilt die Regel des Onen
nicht. Man soll so schnellstmöglich das Gemeindebüro aufsuchen, um Anweisungen zu erhalten, wie die Beerdigung organisiert werden soll (Leichentransport aus dem Krankenhaus,
Begräbniserlaubnis und Beerdigungsorganisation auf dem Friedhof).
Diejenigen, die ein Grab für Ehepartner erwerben wollen, sollen es in diesem Zeitraum tun. Nach dem Begräbnis kann keine Änderung vorgenommen werden. Man darf einen Juden nur auf einem
jüdischen Friedhof beerdigen, auf dem es die ewige Ruhe gibt.
Vorbereitung der Beerdigung:
Sie sollen die Bekannten und Freunde des Verstorbenen über den Tod informieren, um ihm die letzte Ehre während der Beerdigung schenken zu können.
Vorbereitung einer Trauerrede/Abschiedsrede: Die Familie wird gebeten, den Lebenslauf des Verstorbenen nieder zu schreiben, um ihn bei der Beerdigung vorlesen zu können. Man
kann eine Trauerrede für den Verstorbenen vorbereiten, die vom Rabbiner vorgelesen wird. Ein Verwandter kann nach Absprache auch eine zusätzliche Trauerrede vorlesen. Sie soll
schriftlich sein und derjenige, der sie vorlesen soll, muss stark sein, weil die Beerdigung für alle Beteiligten schwer ist.
Der Gang zum Grab und die Begräbniszeremonie können einige Zeit dauern. Selbst junge Menschen, die stark sind, haben es schwer, die psychische und physische Last zu tragen,
besonders aber ältere Menschen. Sie sollen sich entsprechend vorbereiten: Im Winter sollen sie warme Kleidung (und Regenschirme) für das langen Stehen ohne Bewegung mitnehmen. Im Sommer
sollen sie Kopfbedeckung und Wasser mitbringen. Wenn alte oder kranke Menschen dabei sein werden, sollen Klappstühle mitgenommen und neben das Grab gestellt werden.
Die Männer sollen Kippa oder Hut mitbringen.
Abschied von dem Verstorbenen:
Die Männer und Frauen der Chewra Kadischa sollen sich um die Vorbereitung des Verstorbenen für die Beerdigung kümmern. Das geschieht nur aus Respekt vor dem Verstorbenen. Deshalb wird der
Verstorbene gewaschen und ihm eine besondere Kleidung in weiß, genannt „Tachrichin“, angezogen. Danach wird der Verstorbene in einen einfachen geschlossenen Holzsarg gebettet.
Familienangehörigen ersten Grades, die von dem Verstorbenen vor der Schließung des Sarges Abschied nehmen wollen, werden gebeten, nach Absprache mit der Chewra Kadischa eine halbe Stunde vor
der Beerdigung auf dem Friedhof einzutreffen. Nach der Schließung des Sarges darf er nicht mehr geöffnet werden.
Während der Beerdigung:
Die Begleitung eines Verstorbenen zum Grab gilt als eine wichtige Mitzwa und als Wiedergutmachung mit dem Verstorbenen.
Nach jüdischem Brauch darf kein Bild und keine Blume auf den Sarg gelegt werden.
Während der Beerdigung werden der Rabbiner und Kantor das „El Male Rachamim“-Gebet vorlesen für die Seele des Verstorbenen und auch Kapitel aus den Psalmen für die
Beerdigung.
Nach dem Brauch zerreißen die Verwandten ihr Hemd bei der Beerdigung und beten „Baruch Dayan Emet“.
Das Begräbnis:
In das Grab soll kein Gegenstand oder Bekleidung gelegt werden und auch keine Gegenstände, die für den Verstorbenen zu Lebzeitenwichtig waren. Es ist eine wichtige Mitzwa, sich mit dem
Begräbnis zu beschäftigen und der Chewra Kadischa dabei zu helfen, den Sarg mit Erde zu bedecken. Der Spaten soll nicht von einen zum anderen weitergegeben werden, sondern jedes Mal erneut in
die Erde gesteckt werden.
Das Kaddisch-Gebet:
Das Kaddisch-Gebet wird von einem der Nächstverwandten gesprochen. In diesem Gebet wird unserem Gefühl Ausdruck verliehen, dass der Tod eines Menschen etwas ist, worauf wir keinen Einfluss
haben, weil G’tt gab und G’tt nahm. G’tt soll begrüßt sein. Deshalb sagen wir „Itgadal WeItkadasch Schme Raba“ und beten für ein besseres Leben für das Volk Israel. Dieses Gebet wird durch
die Verwandten in jedem Gebet in der Synagoge bis 11 Monate nach dem Tod gesprochen und danach bei der Jahrzeit.
Bitte um Vergebung:
Es ist üblich, dass jemand, der den Verstorbenen zu Lebzeiten verletzt hatte und es nicht geschafft hatte, sich mit ihm zu versöhnen, um Vergebung nach dem Tod bittet.
Trost für die Trauernden:
Eigentlich kann der Trauernde nicht getröstet werden, wenn er einen Verwandten verloren hat. Deshalb werden die Trauernden am Ende der Beerdigung damit getröstet, dass sie einen Trost vom
G’tt erhalten werden. Oder wörtlich: „G’tt wird sie unter den Trauernden von Zion und Jerusalem trösten und sie werden keine weitere Trauer erleben.“
Nach der Beerdigung
Die Trauerzeit nach der jüdischen Tradition wird in vier Zeiträume unterteilt. In jedem Zeitraum gelten andere Trauerbräuche.
Zunächst kommt der Abschnitt „Aninut“, die Zeit zwischen dem Tod und der Beerdigung. Nach dem Begräbnis folgt in der ersten Woche der Zeitraum der „Schiwa“ (drei Tage ‚Weinen’ und vier Tage
‚Trauer’).
Sie wird fortgesetzt durch den ersten Monat, die „Schloschim“, und der vierte Abschnitt ist das erste Jahr. Danach gibt es einmal pro Jahr den Erinnerungstag, die Jahrzeit, entsprechend dem
Todestag nach dem jüdischen Kalender.
Die Trauerbräuche ändern sich von Zeitraum zu Zeitraum. Je länger man sich von dem Todestag entfernt, desto weniger Trauersymbole sind vorhanden. Durch die Trauerbräuche wird eine Balance
geschaffen zwischen dem Bedürfnis zu trauern und der Pflicht im Judentum, mit dem Schmerz umzugehen und zum normalen Leben zurück zu kehren. Die Trauerbräuche bieten auch eine Lösung, was man
in einer Zeit der Ratlosigkeit und Hilflosigkeit tun kann und sie helfen, diese Zeit zu bewältigen. Mit der Zeit soll der Mensch sich von der Trauer erholen, zu seinem gewöhnlichen
Lebensablauf zurückkehren und weniger Anweisungen von Außen brauchen.
Erholungsmahl:
Nach der Rückkehr der Trauernden vom Friedhof werden für die Trauernden rundes Brot, hart gekochte Eier und andere Gerichte in runder Form durch die Verwandtschaft vorbeireitet. Sie
symbolisieren den Kreislauf des Lebens.
Die Schiwa:
Es werden sieben Trauertage abgehalten, um den Schmerz zu lindern. Die Nächstverwandten (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter, Ehemann oder Ehefrau) sind verpflichtet, folgende
Regeln abzuhalten:
- Sie meiden jede Vergnügung, wie z.B. TV sehen, Zeitung lesen, Radio hören.
- Man soll auf einem niedrigen Stuhl oder auf dem Boden sitzen.
- Es soll nicht gearbeitet werden.
- Es soll über die Lebensgeschichte und die guten Seiten des Verstorbenen gesprochen werden.
- Die Familienmitglieder sollen unterstützt werden.
- Es sollen Stoff- oder Gummischuhe und keine Lederschuhe getragen werden.
- Während der Schiwa wird sich nicht rasiert und nicht gebadet.
- Am Schabbat, der in die Schiwa fällt, werden wegen der Heiligkeit des Schabbats keine Trauerbräuche ausgeübt. Natürlich sollen die Trauernden in die Synagoge gehen. Sie sollen aber an
keinen fröhlichen Aktivitäten teilnehmen.
- Während der Schiwa wird eine Kerze angezündet.
- Man soll keinen Wein während der Trauerzeit trinken.
Am Ende der Schiwa: Am Morgen des siebten Tages soll die Familie das Grab besuchen. (Es gibt Sonderregeln für die Schiwa während der Feiertage. Dazu kann der Rabbiner gefragt werden.)
Dreißig Trauertage:
Bei jedem Todesfall wird die Trauerzeit in den ersten 30 Tagen nach der Beerdigung abgehalten. Während dieser Zeit darf man arbeiten und einen normalen Tagesablauf haben. Allerdings darf man
sich nicht zu viel freuen und nicht an Feiern teilnehmen, ins Theater und Kino gehen. Die Trauernden sollen darauf achten, während der ersten 30 Tage nicht zum Friseur zu gehen und sich nicht
zu rasieren.
Am dreißigsten Tag wird auf den Friedhof gegangen. Falls dieser Tag auf einen Schabbat oder Feiertag fällt soll bis zum nächsten Tag gewartet werden. Ebenso wird die Synagoge besucht, um
Kadisch zu sagen und um die Erhebung der Seele des Verstorbenen zu beten.
Das Trauerjahr:
Wenn ein Elternteil verstirbt, dauert die Trauerzeit das ganze erste Jahr. Der Trauernde soll sich erst nach drei Monaten wieder rasieren und die Haare schneiden lassen, außer wenn er/sie
darauf von Freunden schon früher angesprochen wird.
Friedhofsbesuch:
Es soll so wenig wie möglich auf den Friedhof gegangen werden, um die Todesruhe nicht zu stören. Der Friedhof soll am siebten Tag nach der Beerdigung, am dreißigsten Tag nach der Beerdigung
und ein Jahr nach der Beerdigung besucht werden, außerdem nach Bedarf während der Vorbereitungsarbeiten für den Grabstein.
Man darf den Friedhof am Schabat und an Feiertagen nicht besuchen.
Jemand, der an einer Beerdigung eines anderen teilnimmt, darf das Grab seiner Familie besuchen.
Errichtung eines Grabsteins:
Nach altem jüdischem Brauch soll ein Grabstein am Grab errichtet werden. Dieser Grabstein wird von den früheren Weisen „Nefesch“ genannt. Es wird darauf ein kurzer Text geprägt, der die
Persönlichkeit des Verstorbenen erwähnt, und auch den Namen, der Namen des Vaters beim Mann und bei der Frau gleichermaßen. Das Todesdatum nach dem jüdischen Kalender wird ebenfalls
eingetragen. Am Ende der Schrift wird ה.ב.צ.נ.ת geschrieben, was bedeutet: Seine Seele soll für die Ewigkeit mit dem Leben verbunden sein.
Zeitpunkt der Errichtung:
Der Grabstein soll innerhalb von 11 Monaten nach dem Tod errichtet werden. Bilder auf dem Grabstein: Man darf das Bild des Verstorbenen nicht auf dem Grabstein anbringen.
„Er macht verschwinden den Tod für immer, und es löscht G’tt, der Herr die Träne von jeglichem Angesichte…“ (Jesaia, 25, 8)
Bei Fragen bitte an den Rabbiner wenden.
Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland
RABBINER AVICHAI APEL
Westendstrasse 43
60325 Frankfurt
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