Die Christengemeinschaft ist eine Bewegung für religiöse Erneuerung innerhalb des Christentums, die sich als eigenständige Kirche versteht. Sie wurde 1922 in Dornach (Schweiz) auf Anregung von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, gegründet.
Ursprung und Gründung:
* Rudolf Steiner und Anthroposophie: Obwohl Rudolf Steiner selbst kein Mitglied der Christengemeinschaft war, initiierte er den Kultus und gab entscheidende Impulse für ihre Entstehung. Die Anthroposophie, eine von Steiner entwickelte Geisteswissenschaft, beeinflusst das Verständnis und die Praxis der Christengemeinschaft maßgeblich. Es ist wichtig zu betonen, dass die Christengemeinschaft jedoch keine "Kirche der Anthroposophen" ist und keine anthroposophischen Lehren zu glauben sind.
* Initiatoren: Eine Gruppe von 45 Theologen, Pfarrern und Studierenden, hauptsächlich evangelischer Herkunft, unter der Leitung von Friedrich Rittelmeyer, gründete die Christengemeinschaft mit dem Ziel, das christliche Leben in einer zeitgemäßen Form zu erneuern.
* "Menschenweihehandlung": Die Geburtsstunde der Christengemeinschaft war der erste vollständige Vollzug der "Menschenweihehandlung", ihres zentralen Gottesdienstes.
Lehre und Praxis:
* Christus im Mittelpunkt: Im Zentrum des Glaubens steht die "Christus-Tat" auf Golgotha als entscheidendes Ereignis der Menschheitsgeschichte und die Beziehung des Menschen zu Christus.
* Erneuerte Sakramente: Die Christengemeinschaft feiert sieben Sakramente in erneuerter Form:
* Die Menschenweihehandlung: Dies ist ihr zentraler Gottesdienst, eine Art Abendmahlsgottesdienst.
* Die Taufe: In der Regel als Kindertaufe, die Kinder werden in die Gemeinde aufgenommen und bis zur Konfirmation begleitet.
* Die Konfirmation
* Die Beichte/Schicksalsberatung: Hat eher den Charakter eines freien Schicksalsgespräches zur Stärkung des eigenen Willens, weniger einer Absolution von Sünden wie in der katholischen Kirche.
* Die Trauung
* Die Priesterweihe: Ein besonderes Merkmal ist, dass Frauen und Männer gleichermaßen zum Priesteramt geweiht werden können.
* Die Letzte Ölung (Sterbeölung)
* Kein Dogma, Lehrfreiheit: Im Gegensatz zu traditionellen Kirchen gibt es in der Christengemeinschaft keine verbindliche Dogmatik oder Lehrhoheit. Priester haben Lehrfreiheit, und Mitglieder genießen Glaubens- und Meinungsfreiheit.
* Freie Entscheidung zur Mitgliedschaft: Mitglied wird man erst als Erwachsener durch eigenen freien Entschluss. Dennoch können auch Nicht-Mitglieder an den Sakramenten teilnehmen.
* Priestertum der Frau und Gleichberechtigung: Seit ihrer Gründung sind Frauen und Männer gleichberechtigt und Frauen können Priesterinnen werden. Es gibt auch kein Zölibat für Priester.
* Finanzierung: Die Christengemeinschaft finanziert sich ausschließlich durch freiwillige Spenden ihrer Mitglieder und Freunde.
* Umgang mit Anthroposophie: Die Christengemeinschaft erkennt die Anthroposophie Rudolf Steiners als Hilfe für die Erweiterung und Erneuerung der Theologie an, verlangt aber von ihren Mitgliedern keinen Glauben an anthroposophische Lehren.
* Reinkarnation: Die Christengemeinschaft vertritt die Lehre von der Reinkarnation (Wiedergeburt) und der Präexistenz der Seele, die in den meisten anderen christlichen Konfessionen nicht akzeptiert wird.
Verhältnis zu anderen Kirchen:
* Die Christengemeinschaft versteht sich als eigenständige christliche Kirche, die sich aus den bestehenden Kirchen heraus entwickelt hat, aber nicht an deren Verbände gebunden ist.
* Sie bejaht die Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen und sucht den Dialog und die Zusammenarbeit mit anderen Christen.
* Von religionssoziologischer Seite wurde sie im 20. Jahrhundert teils als "Sondergruppe" oder "Sondergemeinschaft" (nicht abwertend gemeint) klassifiziert, was die Christengemeinschaft jedoch ablehnt.
Zusammenfassend ist die Christengemeinschaft eine Bewegung, die eine Erneuerung des christlichen Lebens anstrebt, indem sie eine zeitgemäße Form des Glaubens und der Sakramente praktiziert, die stark von den Impulsen Rudolf Steiners geprägt ist, aber gleichzeitig die Freiheit des Einzelnen und die Lehrfreiheit hochhält.